Gesichter lesen und Neurodivergenz
Gesichter lesen und Neurodivergenz - Foto von Debasish Lenka auf Unsplash

Warum „Gesichter lesen“ gerade jetzt so populär ist

  • Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kategorie:Inklusion
  • Lesedauer:6 min Lesezeit

In den letzten Jahren ist das Gesichter lesen zu einem echten Trend geworden. Immer mehr Coaches und Berater spezialisieren sich darauf, aus Mimik und Gestik wertvolle Informationen über Persönlichkeit, Emotionen und Motive abzuleiten. Als Unternehmer*innen kann es spannend sein, mithilfe dieser Methoden Kunden besser zu verstehen, Verkaufsgespräche zu optimieren oder Mitarbeitende erfolgreicher zu führen.

Doch bei aller Faszination sollten wir nicht vergessen, dass ein erheblicher Teil unserer Gesellschaft neurodivergent ist – also im autistischen Spektrum lebt oder andere neuronale Variationen aufweist. Genau hier setzt das Thema Gesichter lesen und Neurodivergenz an: Inwiefern werden neurodivergente Menschen in diesen Mimik- und Gestik-Analysen häufig ausgeschlossen oder missverstanden?


Herausforderung für neurodivergente Menschen

Neurodivergente Menschen – darunter Autist*innen oder Menschen mit ADHS – haben oft eine abweichende oder eingeschränkte Mimik. Das bedeutet nicht, dass sie keine Emotionen haben oder zeigen können. Vielmehr drücken sie Emotionen auf eine andere, manchmal subtilere Weise aus. Statt einer offensichtlich veränderten Gesichtsmimik, die viele beim „Lesen“ erwarten, fällt ihre Reaktion oft geringer oder untypisch aus.

Studien zufolge zählen 15–20 % der Bevölkerung zum Spektrum der Neurodivergenz (Gemäss aktuellen Studien sogar bis zu 30%). Damit wird klar, dass jede Firma oder Organisation vermutlich Mitarbeitende, Kunden oder Geschäftspartner*innen mit einer solchen neuronalen Variation hat. Wer nur auf klassische Mimik- und Gestiksignale achtet, übersieht also schnell wichtige Signale oder zieht womöglich falsche Schlüsse. Das kann im schlimmsten Fall zu Missverständnissen und Fehlentscheidungen führen.


Warum Inklusion auch ein Business-Vorteil ist

Als Unternehmer*in ist es entscheidend, möglichst effektiv und empathisch zu kommunizieren. Das gilt nicht nur im Vertrieb und Marketing, sondern auch innerhalb des Teams. Inklusives Denken bedeutet, möglichst viele unterschiedliche Kommunikations- und Ausdrucksweisen zu akzeptieren und zu integrieren. Auf diese Weise profitieren Sie als Unternehmer*in gleich mehrfach:

  1. Innovation und Vielfalt
    Neurodivergente Menschen bringen oft besondere Stärken und Perspektiven mit. Wenn sie sich verstanden und wertgeschätzt fühlen, kann das zu kreativeren Lösungen und mehr Innovationskraft im Unternehmen führen.
  2. Besserer Kundenservice
    Wer auf verschiedene Kommunikationsstile eingeht, begegnet Kunden auf Augenhöhe – auch jenen, die ihre Emotionen und Erwartungen weniger klar ausdrücken können. Das schafft Vertrauen und führt zu langfristigen Kundenbeziehungen.
  3. Positives Employer Branding
    Eine offene, inklusive Unternehmenskultur wird von den Mitarbeitenden geschätzt und nach aussen getragen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist es ein Wettbewerbsvorteil, als Arbeitgebende bekannt zu sein, der Vielfalt fördert und unterstützt.

Handlungsempfehlungen für Unternehmer*innen

Um das Thema Gesichter lesen und Neurodivergenz erfolgreich im Geschäftsalltag zu berücksichtigen, können Sie folgende Punkte beachten:

  • Sensibilisierung
    Schulen Sie Ihre Mitarbeitenden für unterschiedliche Ausdrucks- und Kommunikationsformen. Ein grundlegendes Verständnis für Neurodivergenz hilft, Missverständnisse frühzeitig zu vermeiden.
  • Flexibilität
    Verzichten Sie darauf, ausschliesslich nach klassischen Mimik- und Gestikregeln zu urteilen. Bieten Sie Raum für Gespräche oder klärende Fragen, anstatt sich nur auf nonverbale Signale zu verlassen.
  • Klare Kommunikation
    Setzen Sie auf möglichst eindeutige, schriftliche Absprachen. Vor allem Meetings oder Mitarbeitendengespräche sollten durch klare Strukturen und Dokumentationen unterstützt werden – das hilft allen, ob neurotypisch oder neurodivergent.
  • Empathisches Führungshandeln
    Unternehmerische Entscheidungen sind umso tragfähiger, je mehr Blickwinkel sie berücksichtigen. Führen Sie offene Gespräche und holen Sie regelmässig Feedback ein, um sicherzustellen, dass alle Perspektiven gehört werden.

Gemeinsam Brücken bauen

Gesichter lesen und Neurodivergenz schliessen sich nicht aus – im Gegenteil. Eine bewusste und inklusive Herangehensweise an Mimik- und Gestikdeutung ermöglicht es Unternehmern, ihr Gegenüber besser zu verstehen und gleichzeitig eine Unternehmenskultur zu etablieren, in der Vielfalt willkommen ist.

Gerade in einer Zeit, in der Inklusion und Diversität immer stärker in den Fokus rücken, ist es für Unternehmer*innen essenziell, diesen Trend nicht zu verpassen. Ob Kunde, Mitarbeitende oder Geschäftspartner*innen: Jeder Mensch hat das Recht, gehört und gesehen zu werden – unabhängig davon, wie stark oder schwach seine Gesichtszüge Emotionen widerspiegeln.

Möchten Sie mehr erfahren? Sichern Sie sich hier einen Termin. Oder buchen Sie einen spannenden Vortrag „Was haben Chicken Nuggets mit Mitarbeitendenbindung zu tun“.