1. Worum geht es?
Viele Autist*innen und Menschen mit ADHD perfektionieren über Jahre ein «Masking»: Sie überspielen Stimming, Impulsivität oder sensorische Überlastung, um neurotypischen Erwartungen zu genügen. Kurzfristig kann das soziale Vorteile bringen, langfristig aber zu Masking Burnout führen – tiefe körperliche und emotionale Erschöpfung, Identitätsverlust und sogar Suizidalität. Aktuelle Studien belegen den Zusammenhang zwischen starkem Maskieren und Depression, Angst sowie Burn-out Symptomen pubmed.ncbi.nlm.nih.govpmc.ncbi.nlm.nih.gov.
2. Von Masking zu Burn-out – der wissenschaftliche Befund
- Autismus: Eine US-Studie mit 342 erwachsenen Autist*innen zeigte, dass intensives Maskieren mit höherer Erschöpfung, geringerer Authentizität und stärkerer Angst korreliert pubmed.ncbi.nlm.nih.gov.
- Geschlechtsspezifische Belastung: Besonders Frauen maskieren häufig «besser» – und zahlen dafür mit chronischem Burn-out, wie ein Bericht über hoch maskierende Autistinnen 2024 herausarbeitet verywellhealth.com.
- ADHD: Auch Personen mit ADHD erleben das ständige Unterdrücken von Impulsivität als enormen Stressor. Fachartikel beschreiben emotionale Müdigkeit, Reizbarkeit und das berühmte «Zusammenbrechen hinter der Fassade» oxfordcbt.co.uk.
- Gemeinsame Muster: Reviews betonen, dass Camouflaging zwar kurzfristig hilft, soziale Risiken zu senken, mittel- und langfristig jedoch Burn-out, Depression und erhöhte Suizidgefahr begünstigt pmc.ncbi.nlm.nih.govverywellmind.com.
3. Warnsignale rechtzeitig erkennen
Ebene | Typische Anzeichen |
---|---|
Körper | Dauermüdigkeit, häufige Infekte, Migräne, Schlafstörungen |
Emotional | Verlust von Freude, Reizbarkeit, «innere Leere», Weinen ohne klaren Grund |
Kognitiv | Brain Fog, Gedächtnislücken, reduzierte Exekutivfunktionen |
Verhalten | Rückzug, mehr «Shut-downs» oder Meltdowns, Autofokus auf Routine |
Bei ADHD kann zusätzlich ein zyklisches Muster aus Überfokussierung (Hyperfocus) und kompletter Erschöpfung auftreten. |
4. Was Betroffene tun können
- Selbstbeobachtung: Tagebuch führen zu Energielevel, Masking-Intensität und Auslösern.
- Unmasking-Inseln schaffen: Tägliche Zeitfenster («safe spaces») ohne soziale Rollenanforderung.
- Peer-Support suchen: Neurodivergente Selbsthilfegruppen oder Online-Communities stärken Identität und reduzieren Scham.
- Fachliche Begleitung: Neurodiversitätaffirmierende Therapieansätze (z. B. identitätsorientierte CBT) helfen, Grenzen zu erkennen und Burn-out vorzubeugen oxfordcbt.co.uk.
5. Tipps für Angehörige
- Validieren statt minimieren: Aussagen wie «Du wirkst doch ganz normal» sind entmutigend. Stattdessen nachfragen, was Entlastung bringt.
- Gemeinsame Reizregulation: Geräuscharme Zonen, klare Routinen und verbindliche Zeitpläne schaffen Sicherheit.
- Wissenslücken schliessen: Beiträge der Autistic Self Advocacy Network oder aktuelle Reviews zu Burn-out lesen und teilen verywellmind.com.
6. Handlungsspielraum für Unternehmungen
In der Schweiz gilt das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG): Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden dürfen niemanden aufgrund einer Behinderung benachteiligen und müssen angemessene Massnahmen prüfen de.wikipedia.org.
Konkrete Schritte:
- Job-Crafting & Priorisierung: Klare Einzelaufträge statt vager Mehrfach-Tasks senken Stress – ein Erfolgsfaktor, den etwa die IT-Firma Auticon nutzt srf.ch.
- Sensorische Anpassungen: Geräuschreduktion, gedimmtes Licht, Home-Office-Optionen.
- Unmasking-freundliche Kultur: Akzeptanz von Stimming, klar kommunizierte Pausen, Neurodiversität-Schulungen für Teams.
- Ressourcenplan statt Willenskraft: Burn-out-Prophylaxe in Zielvereinbarungen verankern (z. B. fixe Regenerationszeiten).
7. Fazit
Masking Burnout ist kein individuelles Versagen, sondern eine systemische Folge unerfüllter Anpassungsforderungen. Wer frühzeitig Warnsignale erkennt, Unmasking-Phasen etabliert und ein unterstützendes Umfeld schafft, kann dem Teufelskreis aus Verbergen und Erschöpfung entkommen. Unternehmen wiederum profitieren von resilienten, authentischen Mitarbeitenden, wenn sie gesetzliche Rahmenbedingungen nutzen und neurodiversitätsfreundliche Strukturen aufbauen. So wird aus Maskieren auf Dauer echte Teilhabe – und Burn-out vermeidbar.
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