Remote- und Hybrid-Work als Inklusionshebel
Remote- und Hybrid-Work als Inklusionshebel - Foto von Avi Richards auf Unsplash

Remote/Hybrid-Work – warum das Thema jetzt brennt

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Seit der Pandemie hat sich Remote- und Hybrid-Work vom Notnagel zur strategischen Option gemausert. In der Schweiz arbeiteten 2022 bereits 37 % der Erwerbstätigen zumindest gelegentlich von zu Hause aus – vor 2001 waren es erst 6,6 % newsd.admin.ch. Gleichzeitig rollt eine neue Inklusions-Welle durchs Land: Der Bundesrat will das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) modernisieren und damit die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, inklusive neurodivergenten Personen, stärken ar.admin.ch. Remote- und Hybrid-Work als Inklusionshebel: Sie können Talente gewinnen, Kosten sparen und ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden.


1 · Was heisst überhaupt „Remote“ und „Hybrid“?

  • Remote-Work: Arbeiten ausserhalb der Betriebsräumlichkeiten – meist zu Hause, manchmal im Co-Working-Space oder sogar im Ausland.
  • Hybrid-Work: Eine Mischform mit fixen oder flexiblen Präsenz- und Homeoffice-Tagen.

Juristisch ist Remote-Work in der Schweiz nicht explizit geregelt; Arbeitgeber können jedoch per Betriebs- oder Einzelvereinbarung Rahmenbedingungen festlegen. Bei grenzüberschreitender Telearbeit sollten sie Sozialversicherungs- und Steuerfolgen prüfen (multilaterale Vereinbarung bis 49,9 % Homeoffice) vischer.com.


2 · Warum Remote/Hybrid ein Inklusions­hebel ist

2.1 Entlastung sensorischer Belastungen

Neurodivergente Menschen – etwa Autist*innen, ADHS-Betroffene oder Hochsensible – kämpfen oft mit grellem Licht, Lärm oder Dauer-Smalltalk im Grossraumbüro. Eine australische Studie zeigte 2025, dass Homeoffice sensorische Überlastung und soziale Angst deutlich reduziert und die Produktivität autistischer Mitarbeitender steigert disabilityinsider.com.

2.2 Selbstbestimmtes Energiemanagement

Bei Hybrid-Work können Betroffene Präsenz-Tage um energieintensive Termine legen und sich an Remote-Tagen erholen. Eine Metasynthese von 25 Studien fasst zusammen: Flexibilität ist der wichtigste Schutzfaktor gegen Burn-out bei neurodivergenten Homeworker*innen academic.oup.com.

2.3 Besserer Zugang zum Arbeitsmarkt

Remote-Work überwindet geografische Hürden. Gerade in ländlichen Kantonen, wo spezialisierte Jobs rar sind, bietet sie Menschen mit Autismus oder Dyskalkulie neue Chancen, ohne tägliche Pendel-Overload.


3 · Der Business-Case für Unternehmen

NutzenEvidenz
Höhere ProduktivitätNeurodiverse Teams liefern bis zu 30 % bessere Ergebnisse in gewissen Rollen twofold.swiss.
Innovation & ProblemlösungDeloitte nennt Neuro-Inklusion einen Katalysator für „out-of-the-box“-Lösungen www2.deloitte.com.
Talentbindung63 % der Arbeitnehmenden würden für Remote-Optionen einen Lohnabschlag akzeptieren newsweek.comflexjobs.com.
Employer-BrandHR-Trends 2025 führen gelebte Flexibilität als Top-Kriterium für Gen-Z-Talente anaihr.com.

Kurz: Wer Remote-Freiheit anbietet, erhält motivierte Fachkräfte, spart Bürofläche und senkt Fluktuationskosten.


4 · Praxisleitfaden für einen neuroinklusive Remote-/Hybrid-Arbeitsplatz

  1. Policy mit „Flex-First“-Mindset
    • Kernarbeitszeit klar benennen, aber Async-Phasen zulassen.
    • Remote-Anteil individuell festlegen – nicht pauschal.
  2. Infrastruktur & Ergonomie
    • Zuschuss für lärmdichte Kopfhörer, Tageslichtlampen oder sitz-/steh-Tische.
    • Externen IT-Support auch zu Hause gewährleisten.
  3. Kommunikation & Führung
    • Informationen schriftlich dokumentieren (Wikis, Projekt-Boards).
    • Video-Meetings optional: Kamera-Off akzeptieren, Live-Captions aktivieren.
  4. Leistungs­management ohne Bias
    • Setze auf OKR-Systeme; bewerte Output, nicht Präsenzzeit.
    • Führe anonyme Peer-Feedback-Schleifen ein, um subjektive Wahrnehmungen zu glätten.
  5. Mentale Gesundheit
    • Biete digitale Peer-Support-Gruppen oder „Neuro-Cafés“ an.
    • Ermutige Micro-Breaks und Social Days im Office, um Isolation vorzubeugen.
  6. Datenschutz & Recht
    • Kläre, ob Mitarbeitende sensible Gesundheitsdaten freiwillig offenlegen.
    • Beachte die Datenschutz-Compliance bei internationalen Remote-Set-ups vischer.com.

5 · Schweizer Rechts- und Förder­landschaft

  • BehiG-Revision 2024/25 – bringt klarere Vorgaben für „angemessene Vorkehrungen“ am Arbeitsplatz. Unternehmen sollten Remote- und Hybrid-Optionen als solche Vorkehrungen anerkennen ar.admin.ch.
  • Bundesrat-Bericht Telearbeit 2024 – erkennt Remote-Work als Beitrag zu Umweltschutz, Verkehrsentlastung und Work-Life-Balance an newsd.admin.ch.
  • ADIS 2024 – die Allianz Digitale Inklusion Schweiz fördert barrierefreie digitale Lösungen; Firmen können dort Best-Practice-Tools evaluieren ar.admin.ch.

Fördertipps: Prüfe kantonale Programme (z. B. Impulsförderungen für barrierefreie IT) oder den eidgenössischen „Inklusionskredit“ bei Umbauten.


6 · Stolpersteine und wie man sie umgeht

RisikoLösung
Soziale IsolationRegelmässige hybride Team-Tage, virtuelle Kaffeepausen, Tandem-Mentoring.
Over-Working durch HyperfokusKlare Pausenerinnerungen, Time-Tracking als Selbstkontrolle.
Ungerechtigkeit zwischen Job-ProfilenFlexible Benefits kombinieren (z. B. Gleitzeit oder «Silent Office»-Zonen für Präsenz-Pflichtige).
DatensicherheitZero-Trust-Netzwerke, MFA und Awareness-Trainings.
Internationaler Sozialversicherungs-DschungelHR-Guidelines gemäss neuer EU/EFTA-Telearbeits­vereinbarung (bis 49,9 % möglich) vischer.com.

7 · Call-to-Action

  • Für Betroffene: Dokumentiere eigene Arbeits-Triggers (Licht, Geräusche, Deadlines) und bring konkrete Vorschläge in dein nächstes Mitarbeiter*innengespräch ein.
  • Für Arbeitgeber:innen: Starte einen 90-Tage-Piloten mit freiwilligen Remote- bzw. Hybrid-Quoten. Messe Produktivität, Zufriedenheit und Fluktuation – und skaliere, was wirkt.

Fazit

Remote- und Hybrid-Work sind weit mehr als ein Nice-to-Have. Richtig gestaltet, werden sie zum Inklusions-Booster, der neurodivergente Talente freisetzt und Unternehmen resilienter macht. Die Schweiz hat mit fortschrittlichen Gesetzen, hoher Digitalisierungsrate und breiter Akzeptanz beste Voraussetzungen. Remote- und Hybrid-Work als Inklusionshebel: Jetzt liegt es an Führungskräften und Betroffenen, diesen Hebel umzulegen – für eine Arbeitswelt, in der jede*r sein Potenzial dort entfalten kann, wo die Bedingungen am besten stimmen.

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