Schluss mit Diversität
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Schluss mit Diversität! Clever oder kolossaler Fehler?

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Schluss mit Diversität! In letzter Zeit häufen sich Schlagzeilen, wonach Unternehmen ihre Diversitätsprogramme reduzieren oder ganz streichen. Doch während manche diesen Schritt als Kosteneinsparung oder organisatorische Vereinfachung betrachten, übersehen sie oft die gravierenden Folgen – insbesondere für neurodivergente Menschen wie Personen im Autismus-Spektrum oder mit AD(H)S, Dyslexie und anderen neurologischen Varianten.

Im Folgenden wird erläutert, was Diversität und Inklusion überhaupt bedeuten, warum das Schlagwort „Schluss mit Diversität!“ zu kurz greift und welche langfristigen Risiken Unternehmen eingehen, wenn sie die Förderung von Vielfalt – vor allem im Kontext neurodivergenter Talente – einstellen.


1. Was bedeutet Diversität und wo passt Neurodivergenz hinein?

1.1 Das breite Spektrum von Vielfalt
Diversität ist ein Sammelbegriff für die unterschiedlichen Hintergründe, Erfahrungen und Merkmale von Menschen. Meist denkt man zuerst an Geschlecht, Ethnie oder sexuelle Orientierung. Doch Diversität umfasst viel mehr: auch unterschiedliche Denk- und Arbeitsweisen. Genau hier greift der Begriff Neurodivergenz: Menschen mit AD(H)S, Autismus, Legasthenie oder anderen neurologischen Besonderheiten haben andere Wahrnehmungen und Problemlösungsansätze. Diese Unterschiede können – richtig eingebunden – zu herausragenden Leistungen führen.

1.2 Der Unterschied zwischen Diversität und Inklusion
Diversität allein besagt, dass eine gewisse Bandbreite an Merkmalen im Team vorhanden ist. Inklusion jedoch geht weiter: Sie sorgt für ein Umfeld, in dem jede Person ihre Stärken entfalten und sich sicher fühlen kann. Gerade im Kontext der Neurodivergenz Inklusion ist es unerlässlich, dass Unternehmen ihre Prozesse, Arbeitsräume und Kommunikationsformen so gestalten, dass alle Mitarbeitenden tatsächlich profitieren – und nicht an starren Vorgaben scheitern.


2. Weshalb beenden manche Firmen ihre Diversitätsprogramme?

2.1 Kurzfristige Kostenüberlegungen
Diversity- und Inklusionsmassnahmen erfordern oft finanzielle und personelle Ressourcen – sei es für Schulungen, den Aufbau interner Netzwerke oder spezielle Arbeitsplatzanpassungen. Mancherorts sieht man darin primär Kosten, die bei angespannter Wirtschaftslage schnell gestrichen werden. Dabei werden jedoch die langfristigen Vorteile übersehen, die das Unternehmen durch eine vielfältige Belegschaft gewinnt, zum Beispiel höhere Innovationsfähigkeit und geringere Fluktuation.

2.2 Fehlende Erfolgsmessung
Einer der Hauptgründe für das Ende von Diversitätsprogrammen liegt in mangelndem Monitoring. Häufig sind die positiven Auswirkungen – etwa gesteigerte Kreativität oder verringerte Burnout-Raten – schwer in wenigen Zahlen ablesbar. Ohne klare KPIs oder Erfolgskontrollen fehlt das Bewusstsein dafür, welchen Mehrwert der Einsatz für Vielfalt tatsächlich bringt.

2.3 Einseitiger Blick auf „klassische“ Diversity-Themen
Über Jahre hinweg wurde Diversität primär mit Geschlechterquoten, kultureller Vielfalt und sexuellem Spektrum gleichgesetzt. Das Thema Neurodivergenz rückte seltener in den Fokus. Fehlt das Verständnis, welche Chancen gerade darin liegen, wird die Förderung schnell als verzichtbar eingestuft, sobald Budgetkürzungen anstehen.


3. Clever oder kolossaler Fehler?

Die provokante Frage „Schluss mit Diversität! Clever oder kolossaler Fehler?“ lässt sich aus mehreren Blickwinkeln beantworten. Schauen wir genauer hin:

3.1 Innovationsstau statt Fortschritt
Vielfältige Teams – insbesondere wenn neurodivergente Talente eingebunden sind – zeichnen sich durch mehr Ideenvielfalt aus. Ob Hyperfokus, Detailgenauigkeit oder ungewöhnliche Herangehensweisen: Wer diese Fähigkeiten zu nutzen weiss, kann neue Lösungen schaffen, die rein homogenen Teams verborgen bleiben. Ohne entsprechende Programme riskiert man, dass die besten Köpfe gar nicht erst kommen oder ihre Potenziale nicht entfalten können.

3.2 Risiko für Burnout und Fluktuation
Inklusion geht oft mit verbesserten Arbeitsbedingungen einher, zum Beispiel durch klare Strukturen, Sensibilisierungstraining für Führungskräfte oder flexible Arbeitszeitmodelle. Wenn diese Massnahmen eingespart werden, kann das insbesondere für neurodivergente Menschen zu Reizüberflutung, erhöhtem Stress und letztlich Burnout führen. Ein Verlust für das Unternehmen und für die Betroffenen.

3.3 Rückschlag für das Employer Branding
Immer mehr Fach- und Führungskräfte achten auf die Werte eines potenziellen Arbeitgebers. Ein „Schluss mit Diversität!“ sendet das Signal, dass Kosteneffizienz Vorrang vor Menschlichkeit und Verantwortungsbewusstsein hat. Das kann dazu führen, dass genau diejenigen Talente, die für frische Impulse sorgen könnten, sich lieber bei inklusiveren Arbeitgebern bewerben.


4. Neurodiverse Stärken als klarer Wettbewerbsvorteil

4.1 Aussergewöhnliche Produktivität
Menschen mit AD(H)S können unter Druck spontan hochkreativ sein; autistische Personen bestechen oft durch extrem präzise Analysen. Mit den richtigen Rahmenbedingungen (z. B. Ruhezonen, klare Arbeitsstrukturen) können solche Stärken zu einer drastischen Leistungssteigerung führen. Wird dieses Potenzial nicht erkannt, bleibt es ungenutzt – ein immenser Wettbewerbsnachteil.
Lesen Sie hierzu:
https://www.rethinkcare.com/resources/neurodiversity-in-the-workplace-exciting-opportunities-on-the-horizon/
https://qz.com/work/1981466/neurodiverse-applicants-are-revolutionizing-the-hiring-process

4.2 Blickwinkel, die anderen fehlen
Homogene Teams laufen Gefahr, nur in eingefahrenen Denkmustern zu verharren. Wer verschiedene Denkweisen zulässt, entdeckt früh neue Chancen und kann Stolpersteine schon bei der Planung grosser Projekte ausräumen. Neurodivergente Menschen bringen genau solche Perspektiven mit, was Risiken senkt und Erfolgschancen erhöht.

4.3 Bessere Kundenansprache
Da Neurodivergenz in der Bevölkerung weiter verbreitet ist, als oft angenommen (Schätzungen reichen bis zu 20 %), lohnt es sich, Produkte und Dienstleistungen im Hinblick auf diese Zielgruppe zu optimieren. Mitarbeitende, die selbst betroffen sind, wissen am besten, welche Anpassungen und Details in der Entwicklung relevant sein könnten – ein klarer Vorteil gegenüber der Konkurrenz.


5. Praxisnahe Tipps zur Förderung von Neurodivergenz

Um zu verdeutlichen, dass Diversität und Inklusion keineswegs nur „Nice-to-have“-Themen sind, hier einige konkrete Ansätze:

5.1 Angepasste Arbeitsmodelle
Flexible Zeiten, Remote-Optionen und klar definierte Rollen helfen vielen neurodivergenten Personen, ihre Stärken auszuspielen. So lassen sich Reizüberflutung oder Konzentrationsprobleme minimieren, was die Produktivität insgesamt hebt.

5.2 Sensibilisierungsschulungen
Ob Führungskräftetraining zu „Unconscious Bias“ oder Team-Workshops zum Thema Autismus: Eine offene Gesprächskultur und das Verständnis für unterschiedliche Wahrnehmungen verringern Konflikte und fördern die Zusammenarbeit. So wird Ausgrenzung vorgebeugt.

5.3 Transparente Kommunikation
Neurodivergente Menschen haben oft besondere Bedürfnisse in puncto Klarheit und Struktur: Checklisten statt rein mündlicher Absprachen, schriftliche Zusammenfassungen von Meetings, direkte Feedback-Schleifen. Das hilft allerdings nicht nur ihnen, sondern kommt häufig allen im Team zugute.

5.4 Gegenseitige Unterstützung
Mentoring-Programme oder interne Peer-Gruppen ermöglichen es Mitarbeitenden, Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen. Gerade, wenn verschiedene neurodivergente Diagnosen im Unternehmen vertreten sind, kann ein reger Austausch entstehen, von dem auch neurotypische Kolleg*innen profitieren.


6. Zukunftssicherung statt Rückschritt

In einer sich rasch wandelnden Arbeitswelt ist die Fähigkeit, mit Komplexität umzugehen, von entscheidender Bedeutung. Wer jetzt auf „Schluss mit Diversität!“ setzt, unterschätzt die langfristigen Risiken:

  • Fachkräftemangel: Talente aus neurodiversen Gruppen werden anderweitig aufgenommen.
  • Stillstand: Ohne unkonventionelle Lösungsansätze kann die Innovationskurve flach bleiben.
  • Negatives Image: Unternehmen, die Diversität ignorieren, könnten als rückständig gelten.

Dem gegenüber stehen jene Firmen, die Inklusion ernst nehmen und dafür sorgen, dass unterschiedliche Denkstile ihr volles Potenzial entfalten können. Genau das verschafft ihnen einen wichtigen Vorsprung auf dem Markt.


7. Fazit

Der Aufruf „Schluss mit Diversität!“ mag kurzfristig provokant klingen, erweist sich jedoch bei genauer Betrachtung für die meisten Unternehmen als klarer Fehler. Besonders wenn es um Neurodivergenz Inklusion geht, zeigt sich das enorme Potenzial unterschiedlicher Denkweisen. Die Kosten für Schulungen und angepasste Arbeitsumgebungen sind Investitionen in die Zukunft: Eine nachhaltige Unternehmenskultur, gesteigerte Innovationskraft und zufriedene, loyale Mitarbeitende zählen zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren im 21. Jahrhundert.

Anstatt Diversitätsprogramme einzustampfen, sollten Betriebe die vielen Vorteile einer wirklich inklusiven Strategie erkennen und nutzen. Ob Flexibilität, innovative Lösungsansätze oder besseres Employer Branding: Eine vielfältige Belegschaft sichert langfristig den Erfolg. Wer diese Chancen übersieht, läuft Gefahr, im Wettbewerb zurückzufallen – und das kann sich auf Dauer kein Unternehmen leisten.

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