„Warum scheitern Verkaufstrainings bei ADHS und Autismus?“ – Diese Frage höre ich immer wieder, nicht nur von Betroffenen selbst, sondern auch von Coaches und Führungskräften. Aus meiner eigenen Erfahrung als neurodivergente Person weiss ich, dass Standard-Verkaufstrainings oft an den besonderen Denk- und Verhaltensmustern von Menschen mit ADHS oder Autismus vorbeigehen. In diesem Beitrag zeige ich auf, warum das so ist und wie Unternehmen davon profitieren können, wenn sie neurodivergente Talente besser verstehen und fördern.
Vier gängige Menschentypen – ein Modell (Dominant, Initiativ, Stetig, Gewissenhaft)
In der Literatur gibt es ein Modell, das Menschen anhand ihrer Verhaltens- und Kommunikationsmuster einteilt. Dieses Konzept wird oft im Verkauf oder in Teamanalysen genutzt. Die ursprünglichen Bezeichnungen mit Tiernamen lasse ich hier weg und nutze stattdessen die üblichen Fachbegriffe:
- Gewissenhaft (Autismus, Hochbegabung)
- Menschen, die sehr analytisch sind, genau beobachten und in Diskussionen durch tiefes Fachwissen glänzen.
- „Ich weiss enorm viel und kann in fachlichen Diskussionen sehr viel beitragen.“
- Stetig (Autismus)
- Menschen, die sich stark am Wohlbefinden anderer orientieren und auf Harmonie im Team achten.
- „Ich wünsche mir, dass es allen gut geht und wir reibungslos zusammenarbeiten.“
- Initiativ (ADHS)
- Menschen, die spontan, kreativ und flexibel sind und schnell improvisieren können.
- „Zum zweiten Mal heute den Schlüssel vergessen – Flexibilität ist mein Alltag.“
- Dominant (ADHS, Hochbegabung)
- Menschen, die schnell Entscheidungen treffen, direkt kommunizieren und effizient zum Ziel kommen möchten.
- „Bitte keine langen Erklärungen, ich bin schon vor 10 Minuten zum finalen Schluss gekommen.“
Es ist wichtig zu betonen, dass niemand ausschliesslich nur eine dieser Facetten zeigt. Gerade bei neurodivergenten Menschen können mehrere Anteile in verschiedenen Situationen zum Vorschein kommen.
Warum ist das relevant für Unternehmen?
- Innovation durch Vielfalt
Unterschiedliche Denkweisen führen zu kreativen Lösungen. Wenn Menschen mit ADHS, Autismus oder Hochbegabung ihre spezifischen Perspektiven einbringen, entstehen oft ganz neue Ideen und Ansätze. - Tiefgreifendes Fachwissen
Wer sehr gewissenhaft denkt, kann Projekte bis ins Detail analysieren. Gerade bei strategischen Entscheidungen oder in Forschung und Entwicklung ist dieses Potenzial unverzichtbar. - Einfühlungsvermögen und Teamgeist
Stetige Typen fördern den Zusammenhalt. Sie sorgen dafür, dass das Teamklima stimmt und Konflikte frühzeitig erkannt und gelöst werden. - Flexibilität und Spontanität
Initiativen Menschen bringen Dynamik in Gruppen, finden schnell neue Lösungsansätze und können sich mühelos an wechselnde Umstände anpassen. - Effizienz und Schnelligkeit
Wer dominant denkt und handelt, kommt rasch zum Kern einer Sache und trifft Entscheidungen. So bleiben Projekte nicht stecken, sondern gehen zügig voran.
Konkrete Tipps für Führungskräfte und Teams
- Klare Kommunikation
Sagen Sie, was Sie brauchen, möglichst ohne unnötige Ausschmückungen. Gerade dominanten und gewissenhaften Typen hilft eine sachliche und direkte Sprache. - Flexibilität in Abläufen
Initiativen Menschen schätzen es, wenn sie Freiräume für spontane Ideen und kreatives Arbeiten haben. - Strukturierte Arbeitsumgebung
Stetige und gewissenhafte Mitarbeitende profitieren von klaren Prozessen und definierten Rollen. - Akzeptanz unterschiedlicher Stile
Nicht alle sind gleich offen, direkt oder gesellig. Lernen Sie die Stärken Ihrer Mitarbeitenden zu schätzen – auch wenn deren Kommunikationsstil von Ihrer Norm abweicht. - Bewusstsein für Neurodivergenz schaffen
Schulungen oder Sensibilisierungsmassnahmen helfen, Vorurteile abzubauen und den Blick auf Fähigkeiten statt auf Schwächen zu richten.
Ein kleines Beispiel aus dem Verkauf
Eine Person mit ADHS kommt knapp zum Verkaufstreffpunkt, wirkt dadurch sehr initiativ. Ist die Verkäuferin ebenfalls eher initiativ unterwegs – locker, spontan, voller Ideen – kann es passieren, dass unser ADHS-Gegenüber blitzschnell in den dominanten Modus wechselt, wenn zu lange „herumgeschwafelt“ wird. Dann spricht man auf einmal aneinander vorbei, weil eine dominantere, zielorientierte Sprache gebraucht wird, statt einer allzu geselligen.
Mein Fazit
Neurodivergenz bereichert Unternehmen und Teams um vielfältige Perspektiven, Spezialwissen und frische Ideen. Statt Menschen in starren Schubladen zu kategorisieren, sollten wir ihre individuellen Stärken erkennen und wertschätzen. Ja, Mustererkennungen wie dieses Modell können im Verkauf und in der Führung hilfreich sein – aber wir sollten nie vergessen, dass jede Person einzigartig ist und nicht immer in ein Schema passt.
Gerade in Führungsetagen sind Menschen mit ADHS gemäss Studien überdurchschnittlich oft vertreten. Das zeigt, dass vermeintliche „Schwierigkeiten“ auch Zeichen besonderer Fähigkeiten sein können.
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